Regisseur Luk Perceval nimmt 25 Jahre nach seinen spektakulären Schlachten!, dem legendären zwölfstündigen „Shakespeare-Wahnsinn“ (Die Zeit) bei den Salzburger Festspielen, der die acht Königsdramen der Rosenkriege zu einem Werk zusammenfasste, ein neues, monumentales Shakespeare-Unterfangen in Angriff: Die Römischen Tragödien Shakespeares verschmolzen zu einem famosen und vielschichtigen Werk.
„Rom kennt sich nicht!“
Verbunden sind die verschiedenen Tragödien durch ein bestimmtes Thema: den Gebrauch der Macht. Wie lässt sich der allgegenwärtige Begriff der Macht definieren? Ist Macht überall dort, wo Menschen sind? Inwiefern ist das Ausüben von Macht positiv besetzbar? Ab wann korrumpiert die Macht jene Personen, die in der Lage sind, sie auszuüben? Wer vergibt Macht überhaupt? Oder wird sie ausschließlich errungen?
Die Autorin Julia Jost beschreibt den Stand ihrer Arbeit im Frühjahr 2023 – am Ende der ersten Recherche- und Probenphase mit dem Ensemble – wie folgt: „Ich verstehe den Prozess, in dem wir alle uns gerade befinden, als Sampling. Wir schneiden Passagen aus und setzen sie an eine andere Stelle, ich verwende zusätzlich Zeilen u. a. von Elias Canetti, Ingeborg Bachmann, Herta Müller, Plutarch, Lenin, Hannah Arendt und Thomas Hobbes und verschneide diese mit dem Shakespeare-Text. Parallel werden diese gesampelten Ausschnitte überschrieben, soll heißen, ich passe diese Gedanken mit meinen eigenen Worten an den Gesamttext an, füge hinzu, nehme weg, ersetze die Wörter und arbeite am Gesamtrhythmus. Am Ende wird es mit dem Stücktext so sein, wie mit einem neu grundierten Gemälde: das Alte schimmert durch und fügt sich in ein neues Bild.“
Luk Perceval sieht in der Zusammenführung der Stoffe vor allem eine einzige, große Geschichte über den ureigenen Instinkt der Menschen, überleben zu wollen, fortzubestehen in einer Gesellschaft, die aufgeteilt ist in Jäger und Gejagte. Shakespeares Charaktere, die oft als Symbole, Metaphern oder gar Archetypen fungieren, führen dabei über die Konflikte, Paradoxien und Widersprüchlichkeiten zu Einsichten in die Natur der Menschen. Um nicht zu sterben, setzt sich stets der gnadenlose Versuch durch, unbedingt zu den Sieger*innen gehören zu müssen.
Coriolanus ist ein Machthaber, der mit eiserner Härte seine Korruptionslosigkeit zur Schau stellt, gleichzeitig aber ebenso unbeirrbar konservativ dem Volk gegenübertritt und sich in einen Alleinherrscher verwandelt. Julius Caesar regiert mithilfe von Bestechung, Machtmissbrauch und Despotie – und wird dafür ermordet. Auf den Putsch folgen Bürgerkriege, und ein uneiniges Triumvirat sucht mit rhetorischem Geschick nach dem eigenen Machterhalt. Sich selbst wiederholende Machtbestrebungen und ihre Ausuferungen in rohe Gewalt, in Gemetzel, Massaker, Unterdrückung, Hunger und Flucht.