„Aber ich war noch nie so vernünftig.“
Die junge Else T., Tochter aus gutem Hause, ist zur Sommerfrische in einem noblen Kurort in Trentin. Sie vertreibt sich die Zeit mit Tennis, Bergwanderungen und edlen Dinners – bis ein Expressbrief aus Wien alles ändert. Ihre Mutter schreibt; flehend. Else soll, nein, muss die maroden Finanzen ihres Vaters sanieren. Nachdem er sich erneut an der Börse verspekuliert hat, benötigt er 30.000 Gulden, und zwar rasch, sonst droht ihm die soziale Achtung – oder gar das Gefängnis.
Else soll nun einen reichen Freund der Familie um das Geld bitten: den Kunsthändler Dorsday. Dieser, deutlich älter als Else, urlaubt im selben Kurhotel und macht ihr stets Komplimente. Sie findet ihn zwar abscheulich, doch was nützt es? Der gute Ruf der Familie muss bewahrt werden. Dorsday jedoch erkennt die Ausweglosigkeit von Elses Situation – und nutzt sie für ein dunkles Spiel: Er werde die Schuldensumme erst überweisen, wenn er Else eine Viertelstunde lang nackt betrachten darf …
1924 erstmals erschienen, ist Arthur Schnitzlers Novelle "Fräulein Else" auch noch ein Jahrhundert später eine packende und vielschichtige Analyse über Machtmissbrauch, Doppelmoral und die Kommodifizierung weiblicher Körper – konsequent als Gedankenstrom aus der Innensicht Elses verfasst.
Bereits seit vielen Jahren tragen die Schauspielerin Julia Riedler und die Regisseurin Leonie Böhm die Idee in sich, diesen legendären Bewusstseinsstrom in einer gemeinsamen Theaterarbeit auf die Bühne zu bringen – und ihn für das Hier und Jetzt weiterzudenken. Denn genau das ist für Leonie Böhms Arbeiten zentral: Die kanonischen Texte dienen als Anlass, sich neu mit ihnen ins Verhältnis zu setzen und die eigenen Bedürfnisse und Ideen hineinzuschreiben. Über den Weg des Humorvollen, des Verspielten und Hintergründigen entstehen neuartige und mündige Lesarten.
Nun also, kurz nach dem 100. Geburtstag der Novelle, kommt dieses Herzensprojekt als Solo für Julia Riedler auf die Bühne des Volkstheaters – in Leonie Böhms erster Wiener Regiearbeit.
Auch 100 Jahre nach der Veröffentlichung hat diese Novelle von Arthur Schnitzler nichts an Aussage- und Sprengkraft verloren: die junge Else T. soll während ihrer Sommerfrische auf Bitten ihrer Eltern einen älteren Kunsthändler um dringend benötigtes Geld bitten. Dieser möchte seine Macht über die junge Frau jedoch gewissenlos ausnutzen …
Regisseurin Leonie Böhm entwirft in ihrer ersten Wiener Arbeit Schnitzlers Geschichte als Solo für die Schauspielerin Julia Riedler – und denkt Elses Bewusstseinsstrom gemeinschaftlich ins Hier und Heute weiter.