In einer Fassung von John von Düffel mit Texten von Lea Rosh
Die Welt ist gespalten. Mitten durch die Familien und Geschlechter geht ein Riss – ein Gegensatz, der unversöhnlich scheint, eine Schuld, die nicht vergeben werden kann. Von diesem Befund erzählt der antike Dichter Aischylos in seiner „Orestie“: Hochaktuelle Fragen zur Zerrissenheit der Gesellschaft bezüglich Rache, Recht, Gerechtigkeit, aber auch von Schuld, Versöhnung und Partizipation stehen im Zentrum dieses Stücks.
Am Fall von Orest, dessen persönliche Schuld zur politisch-moralischen Streitfrage wird, stellt Aischylos exemplarisch dar, welche Kraft es kostet, das Prinzip der ewigen Rache zu durchbrechen und sich auf ein Miteinander zu einigen. Nach dem Mord an Klytaimnestra, seiner Mutter, die ihrerseits seinen Vater Agamemnon umgebracht hat, wird Orest von den Erinnyen verfolgt. Die Rachegeister, Mahnerinnen des Naturrechts und des Matriarchats, fordern Orests Tod. Der Lichtgott Apollon, der Orest den Auftrag zur Rache erteilte, nimmt ihn für seine Tat in Schutz und schickt den Verzweifelten nach Athen. Dort ruft Orest die Schutzgöttin Athene um Hilfe an. Diese erkennt die Schwierigkeit, hier eine Entscheidung zu treffen, ohne noch mehr Unfrieden zu schaffen.
Athene beruft die Zivilbevölkerung der Stadt als Richter*innen, um ein gemeinschaftliches Urteil zu fällen. In einem exemplarischen Gerichtsprozess wird das zuvor herrschende Prinzip der Blutrache durchbrochen und erstmalig durch ein unabhängiges Gericht abgelöst. Anstelle von Gewalt treten Argumentation und ein moderierter Diskurs. Doch die demokratische Abstimmung endet nicht in Harmonie und Einigkeit. Kann eine gespaltene Gesellschaft versöhnt werden? Wie integriert man die „Verlierer*innen“ einer demokratischen Entscheidung in das Gemeinwesen? Wird es gelingen, die rächenden Erinnyen in wohlmeinende Eumeniden zu verwandeln?
„Die Orestie“ des Dichters Aischylos (525–456 v. Chr.) ist die einzige erhaltene griechische Tragödien-Trilogie und gilt als Schlüsseltext unserer Zivilisation. Politische Ereignisse unserer Zeit werden zu modernen Folien, die die Brüchigkeit unseres demokratischen Fundaments widerspiegeln. John von Düffel schafft eine neue Textfassung, die mit Texten von Lea Rosh ergänzt wird.
Die u. a. mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnete deutsche Journalistin und Autorin Lea Rosh steht mit ihrem Lebenswerk für eine demokratische und freiheitliche Gesellschaft. Carl Philip von Maldeghem arbeitet erstmals mit Ausstatterin Eva Musil zusammen, die am Landestheater ihre vielfältige Handschrift schon wiederholt gezeigt hat.