Verena Altenberger und Ensemblemitglied Mavie Hörbiger lesen starke Texte über Frauen, die gehen, aufhören, nicht mehr mitspielen. Sie rechnen mit den Ungeheuern aus ihrem Leben ab und wagen den Widerstand. Sie steigen aus erstarrten Ordnungen aus und sehnen sich dabei nach nichts so sehr wie der Liebe auf Augenhöhe und ohne Abhängigkeiten.
Als Prolog lesen die beiden Schauspielerinnen zwei Texte der französischen Autorin und Filmemacherin Virginie Despentes: Plädoyers für Selbstbestimmung und selbstgewählte Männlichkeit, Ehrgeiz und Brutalität, für das Recht lieber King Kong als Kate Moss zu sein. Dann folgt die klassische Erzählung „Undine geht“ von Ingeborg Bachmann, die Geschichte eines Wasserwesens, das sich nach einer Seele, nach einem menschlichen Leben sehnt. Undine taucht aus dem Meer auf, ruft ihren Geliebten, will ihn locken und besitzen, wird aber enttäuscht von der Unmöglichkeit der absoluten Liebe. Zum Schluss werden zwei Fragmente aus „Der Ring des Nibelungen“ in einer Bearbeitung des Autors Necati Öziri gelesen (dessen Romandebüt „Vatermal“ es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023 geschafft hat), in denen der germanische Gott und Patriarch Wotan in Erscheinung tritt, gefolgt von seiner Lieblingstochter Brünhilde. Sie ist fünf Jahre alt, sieben, zehn, vierzehn, zwanzig, achtundzwanzig, und bestimmt ihr Schicksal selbst. Sie will nicht mehr eines Gottes Tochter sein. Sie ist fortan der Verdammten Schwester.
Musikalisch wird das Duo von Clara Frühstück, die auch in der umjubelten Winterreise-Neuinterpretation im Akademietheater zu erleben ist, begleitet. Sie bespielt zwei Klaviere: einen strahlenden Konzertflügel und ein mit Nägeln und Gummi präpariertes Klavier, dunkel, krank, kaputt, düster. Die Grenzen zwischen Erhabenheit und Zerbrechlichkeit verschwimmen. In der majestätischen Tonart Es-Dur, die für das Göttliche, die Liebe, die Heilige Dreifaltigkeit steht, bringt Frühstück das Burgtheater zum Vibrieren. Undine wird von Unterwasserungeheuern begleitet und Wotan tritt zu Technobeats am Klavierdeckel auf. Bis zum Schluss die beiden Klaviere gleichzeitig einen Sound erzeugen, der einem Wagner-Orchesterstück in nichts mehr nachsteht.
© Christoph Liebentritt, Moritz Schell, Maximilian Baier