Ein Lese- und Liedprogramm, in dem sich zwei große Stimmen begegnen, die in ganz unterschiedlicher Form am politischen Dialog ihrer Zeit teilgenommen haben: Franz Schubert und Karl Kraus.
Das Wiener Biedermeier wird oft als ein seliges Zeitalter beschrieben. Inwieweit Franz Schubert am politischen Diskurs teilnahm, ist heute nicht mehr vollständig zu eruieren. Belegt ist, dass die als Schubertiaden bekannt gewordenen, zunächst privaten Aufführungen von Schuberts Werken auch einem politischen und philosophischen Austausch dienen sollten. Angesichts eines rigiden Polizeistaats und einer strengen Zensur stellt sich etwa die Frage, ob es sich bei der romantischen Wanderschaft nur um die Flucht vor einer vermeintlich verflossenen Liebe handelt oder vielleicht auch um die Utopie von einer besseren Welt.
Ganz konträr dazu die Lage bei Karl Kraus: Mit der Veröffentlichung seiner Fackel gelang es ihm, zu einer Instanz für die freie Rede und satirische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten seiner Zeit in Österreich zu werden. Seine öffentlichen Lesungen füllten Konzertsäle und waren wichtiger Bestandteil des außerparlamentarischen Diskurses zwischen 1899 und 1936. In den über mehrere Saisonen konzipierten Schubertiaden werden diese beiden österreichischen Großmeister gegenübergestellt und das Publikum zu einer gemeinsamen Entdeckungsreise eingeladen.